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Wissen darf nicht verstauben

    Wissen darf nicht verstauben

    In dieser Serie hören wir von den Teilnehmenden des Kurses 2025 und von den Menschen, die von ihren sozialen Initiativen profitieren. Alick Mandandi wuchs im ländlichen Sambia auf. Schon früh sah er, wie Männer wie sein Vater nach dem Ruhestand mit schlechter Gesundheit und gesellschaftlicher Vernachlässigung zu kämpfen hatten. Besonders der Verfall seines Vaters durch eine unbehandelte chronische Erkrankung prägte ihn tief – und inspirierte ihn zur Men’s Healthy Initiative. Mit diesem Projekt möchte Alick älteren Männern Zugang zu medizinischer Versorgung, gesunder Ernährung und einem neuen Lebenssinn ermöglichen. Hier erzählt er die Geschichte eines Mannes, dessen Leben er verändern möchte.

    Der Lehrer, der uns Würde lehrte

    Von Alick Mandandi

    Die Morgensonne über Sesheke wärmt langsam die Blechdächer der verstreut liegenden Häuser. In einem dieser einfachen, aber würdevollen Häuser beginnt Mr. Charles seinen Tag. Der 68-jährige ehemalige Grundschullehrer geht langsamer, atmet schwerer – aber sein Geist ist wach, erfüllt von Erinnerungen an Kreidestaub, neugierige Kinderaugen und die Freude, junge Menschen zu begleiten.

    Ich traf Mr. Charles unter dem Mangobaum in seinem Hof. Dort sitzt er oft mit einem alten Radio und einer Tasse ungesüßtem Tee. Sein Händedruck war fest, in seinen Augen lag die stille Widerstandskraft eines Mannes, der viele Stürme des Lebens überstanden hat. Doch im Gespräch zeigten sich die Spuren des Alters und der Krankheit. „Jeder Tag ist eine Herausforderung“, sagte er, „aber ich versuche, der Krankheit nicht das Feld zu überlassen.“

    Vor sechs Jahren wurde bei Mr. Charles Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes diagnostiziert. Seitdem hat sich sein Leben grundlegend verändert. Einst geachtet in seiner Gemeinde, kämpft er nun mit chronischer Müdigkeit, Schwindel und Gelenkschmerzen. Die nächste Klinik ist über 15 Kilometer entfernt – ein eigenes Transportmittel hat er nicht. „Manchmal laufe ich los und hoffe, dass mich ein Auto mitnimmt“, sagte er mit einem erschöpften Lachen. „Einfach ist das nicht.“

    Sein Zustand erfordert nicht nur Medikamente, sondern auch eine konsequente Ernährung, regelmäßige Kontrollen und Ruhe. All das ist schwer umzusetzen. Gesundes Essen ist teuer, der Weg zur medizinischen Versorgung mühsam. Unterstützung bekommt er von seinen Kindern, die in anderen Städten leben. Sie schicken, was sie können – etwas Guthaben fürs Handy, Lebensmittel oder ein wenig Geld. „Sie tun, was möglich ist“, sagte er mit einem leisen Lächeln. „Es hilft mir, über die Runden zu kommen.“

    Doch was mich am meisten bewegte, war nicht nur die körperliche Belastung – sondern sein Wunsch, wieder gebraucht zu werden. Als ich ihn fragte, was er mit mehr Kraft und Unterstützung tun würde, begannen seine Augen zu leuchten: „Ich würde wieder unterrichten. Nicht ganztags, vielleicht abends ein paar Stunden für die Kinder im Dorf. Oder Hühner züchten. Etwas, das mir wieder einen Sinn gibt.“

    Dieser Moment ließ mich nicht los. Es war nicht nur seine Gesundheit, die gelitten hatte – sondern sein Selbstbild, seine Würde. Mr. Charles ist nicht einfach ein Patient oder eine Statistik. Er ist Vater. Mentor. Träger von Erinnerungen. Doch wie so viele ältere Männer in Sambia rückt er langsam an den Rand der Gesellschaft – seine Lebensleistung wird vergessen, sein Wissen übersehen.

    Würde für ältere Männer in Sambia zurückgeben

    Links: Alick im Boot, Rechts: Mr. Charles und weitere ältere Menschen

    Hier setzt meine Men’s Healthy Initiative an. Sie will nicht nur Gesundheit, sondern auch Würde zurückgeben – für Männer wie Mr. Charles. Dazu gehören mobile medizinische Angebote und Transporthilfe für Klinikbesuche. Spezielle Lebensmittelpakete für Menschen mit chronischen Erkrankungen sowie Garten-Sets zur Selbstversorgung sollen eine gesündere Ernährung ermöglichen. Und vor allem soll das Projekt neue Perspektiven eröffnen: mit Unterstützung für Kleinstlandwirtschaft, Raum für Gemeinschaft und Möglichkeiten, Wissen weiterzugeben – als Mentor, Lehrer oder Handwerker.

    Denn Männer wie Mr. Charles sind keine Last. Sie sind das Fundament unserer Gesellschaft. Doch Armut, Stigmatisierung und jahrzehntelange Vernachlässigung haben sie an den Rand gedrängt. Medizin behandelt den Körper – aber echte Heilung beginnt dort, wo man wieder gesehen, respektiert und gebraucht wird.

    Beim Abschied überreichte mir Mr. Charles ein altes Schulbuch für Naturwissenschaften – eines, das er früher im Unterricht genutzt hatte. „Benutz es, um jemanden etwas beizubringen“, sagte er. „Wissen darf nicht verstauben.“

    Seine Worte haben mich tief berührt – nicht nur wegen des Buches, sondern wegen des Menschen, der sie sprach. Ich nehme nicht nur seine Geschichte mit, sondern auch ein Stück seines Vermächtnisses. Manche Geschichten berühren einen besonders – diese hier trage ich in mir.

    Die Men’s Healthy Initiative ist mehr als eine Antwort auf eine Gesundheitskrise. Sie ist eine Hommage an Weisheit, an Widerstandskraft – und an Männer wie Mr. Charles, die uns ihre besten Jahre geschenkt haben. Jetzt ist es Zeit, etwas zurückzugeben.