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wo alles besser wird, Aisha Bubah, founde of idimma

Wo alles besser wird

    Aisha Abdullahi Bubah spricht ein wichtiges Thema an: den Zustand der psychischen Gesundheit in der heutigen Gesellschaft. In ihrem Heimatland Nigeria mit einer Bevölkerung von über 212 Millionen Menschen gibt es nur 250 Psychiater und eine noch geringere Anzahl von Psychologen. Grob geschätzt hat nur einer von einer Million Nigerianern Zugang zu psychosozialer Unterstützung. Aishas Organisation Idimma wünscht sich starke Systeme, die mentale Krisen in der Bevölkerung auffangen können.


    Es gab eine starke Vibration, wie ich sie noch nie gespürt hatte und von der ich nicht wusste, dass sie möglich war. Eine Schwingung, die Gegenstände in Bewegung setzte und mein Innerstes erschütterte.

    Ich komme aus einer Region in Nigeria, in der ethnisch-religiöse Unruhen an der Tagesordnung sind und in der es immer wieder zu Terroranschlägen kommt. Ich dachte, das würde nur für eine kurze Zeit so sein, aber es dauerte länger als ein Jahrzehnt. Ich verlor einen lieben Verwandten an dem Tag, als in meinem Wohnort zum ersten Mal Bomben explodierten. Ich war mir nicht sicher, wie ich mit seinem plötzlichen Tod umgehen sollte, und viele Jahre lang versuchte ich, so zu tun, als wäre es nicht passiert. Es fühlte sich ungerecht an und ich hatte weder die Plattform noch die Möglichkeit, meine Gefühle oder Gedanken zu diesem Ereignis zu äußern. Der Aufstand geriet immer mehr außer Kontrolle. Immer mehr Verwandte wurden vertrieben und mussten die Häuser, in denen sie aufgewachsen waren, verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Ich höre sie über ihre Erfahrungen sprechen, wie sie im Gebüsch schliefen, um nicht von Terroristen abgeschlachtet zu werden. Ich höre sie über einige unserer vermissten Verwandten sprechen. Und ich frage mich immer, wo all diese Traumata bleiben.
    Ich kann mich lebhaft an die große Angst erinnern, nicht zu wissen, ob wir jeden Moment tot sein würden oder ob eine Zeit kommen würde, in der der Aufstand endet und das Leben wieder normal wird. Ein Teil von mir wusste jedoch, dass “normal” nie wieder normal sein würde. Mir fehlten die Worte, um das überwältigende Gefühl der Trauer, der Unruhe und der Angst vor der Zukunft auszudrücken, dass ich empfand. Die Ungewissheit und die Angst davor, dass der Konflikt eskalieren könnte, beeinflussten meine Einstellung zum Leben, als ob es sich nicht lohnen würde, sich anzustrengen, um zu leben.

    Ich erinnere mich, wie ich als Kind mit meiner Mutter fernsah. Wir sahen eine Hochzeit in einem vom Krieg zerrütteten Land und ich fragte: “Wie können sie sich amüsieren, wenn sie wissen, dass sie jeden Moment durch eine Bombenexplosion getötet werden können?” Sie sagte: “Das Leben muss weitergehen und der Tod ist nicht so beängstigend, wenn man das Gefühl hat, dass man nichts mehr zu verlieren hat.”

    Erst später wurde es mir klar. Ich verstand, dass das Trauma nicht einfach verschwindet. Es bleibt, oder es manifestiert sich auf viele andere Arten, gut oder schlecht. Ich konnte nicht aufhören, über den mentalen Zustand der Opfer nachzudenken, die durch diese Gewalttaten körperlich, sozial und wirtschaftlich entmündigt und enteignet wurden. Aber ich wollte aus diesem Zustand der ständigen Angst, der Furcht und des Stresses herauskommen und auch anderen helfen, trotz ihrer Kämpfe ums tägliche Überleben, ihr Glück zu finden.

    Im Alter von 16 Jahren beschloss ich, Psychologie zu studieren. Ich ging an die Universität mit der Neugier, menschliches Verhalten zu verstehen und einen Sinn in all den Ereignissen zu finden, die meine Kindheit geprägt hatten, zu verstehen, warum Menschen sich für Gewalt entscheiden, zu verstehen, warum Menschen Drogen missbrauchen, wie mein Freund aus Kindertagen und warum die Gesellschaft ihn daher als unwürdigen und schlechten Menschen ansah.
    Ich hatte so ein größeres Ziel gefunden, auf das ich nun zuarbeiten konnte. Das half mir, über mein Trauma hinweg- zukommen. In meinem Heimatort herrscht der allgemeine Irrglaube, dass mentale Gesundheit etwas ist, das außerhalb unseres Körpers liegt, das ausschließlich durch äußere Faktoren beeinflusst wird und das manchmal sogar mit übersinnlichen Begebenheiten zusammenhängt.

    Menschen, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, werden angehalten, mehr zu beten, aber sie erhalten keine Unterstützung und Betreuung. Ich halte das für falsch, denn wir können Krebs nicht ohne medizinische Betreuung wegbeten, warum dann nicht auch professionelle Abhilfe für Menschen mit mentalen Schwierigkeiten schaffen?
    Mentale Gesundheit ist in uns. Der Geist befindet sich nicht außerhalb des Körpers. Mir wurde klar, dass es einen Weg gibt, dass wir nicht mit unseren Traumata leben oder ständig von ihnen heimgesucht werden müssen. Es gibt Möglichkeiten, positive Fähigkeiten zu
    entwickeln, die es einem ermöglichen, sich auf ein bereicherndes, nicht von Gewalt gezeichnetes Leben zu freuen und es aufzubauen.

    Heute leite ich eine Organisation für mentale Gesundheit, die sich für den Abbau von Barrieren beim Zugang zu psychischer Unterstützung einsetzt. Wir haben auch die erste Beratungsstelle für mentale Gesundheit über die nationale Notrufnummer Nigerias eingerichtet.
    Das ist es, was wir uns vorstellen: Durch die Bereitstellung von Programmen zur Förderung des psychischen Wohlbefindens in den Gemeinden, die Laienberater und psychologische Ersthelfer ausbilden, werden wir die Lücke im Bewusstsein und im Zugang zu grundlegender psychosozialer Unterstützung schließen.

    Stellen Sie sich eine Gemeinschaft vor, in der jede zehnte Person Beratungs-fähigkeiten erworben hat. Indem wir eine Gesellschaft mit besseren Zuhörern und besseren Kommunikatoren schaffen, eine Gesellschaft, die im Großen und Ganzen einfühlsamer ist und sich um die Bedürfnisse der anderen kümmert, werden wir eine mental gesündere Gesellschaft schaffen, die schließlich in der Lage ist, sich selbst zu heilen. In Krisensituationen wie COVID-19 oder in Krisen, in denen die Menschen nicht so mobil sind, wird dies einen großen Unterschied machen. Es handelt sich um ein Modell zur Selbsthilfe in Bezug auf das psychische Wohlbefinden, das wir in den letzten zwei Jahren durch die Ausbildung von über 100 Laienberatern erprobt haben, die derzeit psychosoziale Interventionen in der Region anbieten.

     


    Aisha wird ihre Geschichte und Projektidee während der kanthari TALKS presentieren.
    Wann? 17 und 18 Dezember 2021!
    Wo?  Livestream auf http://www.kantharitalks.org/

     

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