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kanthari

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Wenn Fluten uns zur Aktion treiben

    Nichts macht Akhina Mohan wütender als die Misshandlung unserer Umwelt. Dennoch hatte sie nie den Mut, aufzustehen und ihre Meinung öffentlich zu machen. Erst die Flutkatastrophe 2018 in Kerala hat sie aus ihrer Schüchternheit gerissen. Ihre aktive Hilfe und Unterstützung der Flutopfer machten ihr klar, dass ihr Handeln etwas bewirken kann!
    Heute plant sie die Organisation “alarmo”, eine von Kindern und Jugendlichen getragene Aktionsgruppe. alarmo sieht die realistische Gefahr für unsere Zukunft, aber Akhina glaubt auch, dass der Planet gerettet werden kann, wenn wir nur jetzt gemeinsam anpacken.


    Meine erste große Liebe galt einem alten Tamarindenbaum. Er stand vor unserem Haus und gab mir Schatten und ein Versteck, in dem ich in Ruhe die verbotenen sauren Früchte genießen konnte.

    Dieser Baum war so groß, dass meine Eltern Angst hatten, er würde auf unser Haus stürzen, also wollten sie ihn fällen. Aber sie änderten ihre Meinung. Ich war schon als Kind sehr neugierig und wollte wissen, warum sie so plötzlich von ihrem Vorhaben abließen. Heute weiß ich es. Es war ein Astrologe, der den Baum rettete. Er versicherte meinen Eltern, der Baum bringe uns Glück.

    Nun, wenn wir den Aberglauben brauchen, um die Welt zu retten, warum nicht?! Auch meine Mutter liebte Pflanzen, manchmal, so dachte ich, liebte sie die Büsche und Bäume in unserem Garten mehr als uns Kinder.

    Allerdings war ihre Liebe selektiv. Ich hatte zu Hause ein paar Bäume gepflanzt, die ich von der Schule bekommen hatte. Denn meine Bäume wurden von ihr gefällt, da sie zu viele Dornen hatten. Ich war wütend, traute mich aber nicht, mit ihr einen Streit anzufangen.  Auch in meiner Schule blieb ich still, als die Verwaltung einige schöne alte Bäume fällte, um den Spielplatz zu vergrößern.
    Danach musste ich an den beiden Hochschulen, an denen ich studierte, erneut mit ansehen, wie riesige Bäume gefällt wurden, um Platz für Betonbauten zu schaffen. Ich wünschte mir, dass der Astrologe, der bereits meinen Baum gerettet hatte, auch an den Unis herumschlich. Denn damals hatte ich nicht den Mut, mich zu wehren.

    Ich war Teil eines freiwilligen Einsatzes auf dem Campus. Wir haben einen Tag lang den Strand gesäubert. Während der Säuberungsaktion kamen die Anwohner der Gegend, um ihren Müll am Strand zu entsorgen und sie taten dies vor unseren Augen, ohne sich schuldig zu fühlen. Im Rahmen derselben Freiwilligeneinheit wandte ich mich an einen unserer Mitarbeiter, um ihn zu fragen, wohin er den während einer Zeremonie gesammelten Müll entsorgen sollte. Ohne zu zögern, zeigte er einfach auf den Müllhaufen hinter dem Auditorium.
    An der Hochschule, an der ich Umweltwissenschaften studierte, entdeckte ich ein Schild: ‘Plastikfreier Campus’. Es war direkt neben einem Haufen Plastikmüll angebracht. Es gab eine klare Diskrepanz zwischen dem, was wir dort lernten und was in der Praxis geschah. Ich weiß noch, wie schwierig es war, die Mitarbeiter davon zu überzeugen, einen einfachen Papierkorb für die Aula zu besorgen. Ich habe versucht, einen Abfallentsorgungsplan für einen der Standorte aufzustellen. Aber das hatte für die Verwaltung sicher keine Priorität. Ironischerweise befanden wir uns genau an dem Ort, an dem wir alles über Abfallentsorgungsprozesse gelernt hatten, aber wir waren nicht in der Lage, sie dort anzuwenden.

    Jeder dieser Vorfälle provozierte mich, aber ich fühlte mich hilflos.
    Warum hatte ich nur geschwiegen? Ich wollte jedem Konflikt aus dem Weg gehen, meine Abschlüsse nicht gefährden. Aber mich ärgerte, dass unsere menschlichen Bedürfnisse immer den Vorrang vor der Natur hatten.

    Und dann kam die Flut im August 2018.
    Es war eine der verheerendsten Über-schwemmungen in der Geschichte Keralas. Sie kostete fast 500 Menschenleben und verursachte Sachschäden in Höhe von schätzungsweise 56 Milliarden Dollar. Dreizehn von vierzehn Bezirken waren von der Flut betroffen. Zum ersten Mal habe ich mich mit meinen Freunden zusammengetan, um Hilfsmaßnahmen zu unterstützen. Wir konnten Hilfsgüter mobilisieren und an einige Lager in den Distrikten Wayanad, Kozhikode, Idukki, Alappuzha und Trissur verteilen. Ich habe nicht gehandelt, weil ich provoziert wurde, sondern weil ich meine eigene Existenz in Gefahr sah. Und doch hat sich dadurch in mir eine Welt verändert. Das gab mir viel Selbstvertrauen, um aus meinem Schneckenhaus herauszukommen.

    Alarmo, es ist zeit zu handeln

    Meine Erfahrungen im indischen Bildungssystem öffneten mir die Augen für die Widersprüche unseres Handelns, unabhängig von unserem Wissen und Bewusstsein über den Klimawandel. Das hat mich auf einen Weg gebracht, den ich unbedingt weitergehen will.

    Meine neu gegründete Organisation alarmo arbeitet mit Kindern und Jugendlichen, um das Umweltbewusstsein in den Gemeinden zu stärken. Kinder und Jugendliche werden ihre Gemeinden anführen, um ihre lokale Umwelt wiederherzustellen und unsere Zukunft zu sichern.
    Die Zukunfts-Aktivisten im Alter von 8 bis 14 Jahren bilden Arbeitsgruppen, die ‚Cuckoos‘ genannt werden und sie durchlaufen ein einjähriges Stipendienprogramm, das vier Abschnitte umfasst:
    1) Von den Wurzeln lernen: in Camps lernen zunächst die jungen Kinder gemeinsam über Umweltprobleme, Zusammenhänge der Klima-Veränderungen und über mögliche Lösungen.
    2) Grüne Ideen aussähen: Hier wenden die Kinder das Gelernte an, um ihre lokale Umwelt unter Einbeziehung ihrer Gemeinden wiederherzustellen. Dieser Abschnitt besteht aus Workshops und Aktivitäten, die sie selber leiten. Das Lehrer-Schülerverhältnis dreht sich dabei um. Die Trainer sind die Kinder, die Lernenden ihre Eltern.
    3) Den Alarm starten: Hier führen die Kinder Kampagnen zum Schutz der Umwelt durch. Dabei machen sie auch Hausbesuche, um die Dringlichkeit der Aktion zu verdeutlichen.
    4) Visuelles Erleben: Hier drehen die Kinder einen Film über die von ihnen organisierten Aktionen und stellen ihn in ihren Gemeinden vor. Jede Gruppe von Cuckoos-Kindern wird zu einem Ausflug in eine Naturlandschaft in der Nähe ihres Wohnortes mitgenommen, die negativen Auswirkungen menschlicher Eingriffe zu verstehen.

    Ich bin eine angehende Umwelt-schützerin aus Kerala, ein Staat, der wegen seiner Stabilität oft “God’s own country” genannt wird. Doch die Stabilität beginnt kräftig zu wackeln. Daher möchte ich die Menschen davon überzeugen, dass sie sich um die Umwelt kümmern müssen. Sonst könnte Kerala auch in Fluten versinken.

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