Skip to content

kanthari

info[@]kanthari[.]de

Raus aus der Isolation Ifeoluwa Faniran aus Nigeria

Raus aus der Isolation

    Geboren mit Albinismus, erfuhr Ifeoluwa Ablehnung und Isolation. Die bedingungslose Liebe ihrer Mutter schützte sie vor gesellschaftlichen Übergriffen. Erst nach dem Tod ihrer Mutter wurde ihr deutlich, welchen Gefahren sie ausgesetzt war. Erst im Austausch mit Eltern von Kindern mit Albinismus erkannte sie, dass sie diese Herausforderungen mit anderen stemmen konnte. Das gab ihr die Idee, die Initiative Iretiola(Ìrètíọla: Hoffnung für morgen) zu initiieren. Ìrètíọla bedeutet in ihrer Muttersprache “Hoffnung für Morgen”. Es handelt sich dabei um eine Gemeinschaft, in der Kinder mit Albinismus ihre neue Identität finden können und sie sollen lernen, als erwachsene Person für sich selbst zu sorgen und ein unabhängiges Leben zu führen.

    Von Ifeoluwa Faniran

    “Ich möchte mit anderen Kindern spielen!”
    “Nein, das ist nicht richtig!”

    “Ich möchte Krankenschwester werden!”
    “Nein, das kannst Du nicht!”

    Das sind Antworten, die ich seit meiner Kindheit mir wieder und wieder anhören musste. Aber die wirkliche Antwort, dass ich nicht gesellschaftsfähig sei, da ich anders aussähe, kam nie. Ich habe wegen meines Aussehens oft tagelang in einem Raum verbracht, ohne nach draußen zu gehen. Mit Albinismus in Südwest-Nigeria geboren zu werden, machte mich zur Außenseiterin. “Als ich Dich im Krankenhaus geboren hatte, dachte ich, die Krankenschwestern hätten mein echtes Kind gegen Dich ausgetauscht! Ich konnte mir nicht vorstellen, ein Kind wie Dich zu haben! Ich hatte Angst, Dich zu berühren und Dich zu stillen”, sagte meine Mutter.Aber trotz ihres Mangels an Wissen über Albinismus akzeptierte sie mich als ihr geliebtes Baby, auch als jeder andere seine eigene Meinung zu mir zum Besten gab.

    Während meiner Kindheit habe ich mir immer wieder die gleichen Kommentare anhören müssen. Viele machten verletzende Bemerkungen über meine Mutter. Sie beschuldigten sie der Untreue oder des Diebstahls. Einige glaubten sogar, Gott habe sie bestraft für ihre früheren Sünden. Meine Mutter ertrug diese Anschuldigungen klaglos. Sie opferte alles, um mich zu schützen.

    Nachdem mein Vater uns verlassen hatte, war es für sie sehr schwierig, sich um uns Kinder zu kümmern. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich einer der Gründe war, warum alles in die Binsen ging.

    Meine Geschwister zogen bald aus und lebten fortan bei anderen Verwandten. Es gab Situationen, in denen die Leute meine Mutter aufforderten, meine Haare oder meine Nägel abzuschneiden, um sie zu Geld zu machen. Oder sie rieten ihr, mich an Hexer zu verkaufen. In Nigeria erfuhr man aus den internationalen Medien, dass Menschen mit Albinismus Geister seien und besondere Kräfte hätten und dass ihre Körperteile anderen Glück bringen würden. Was auch immer in Ost- und Südafrika geschah, war überall in den Nachrichten und das gab ihnen grausame Ideen. Das alles machte meiner Mutter große Angst. Sie reagierte darauf, indem sie mich praktisch einschloss, mich für lange Zeit von Kindern fern hielt und ich so erst sehr spät in die Schule kam. Immer in dem Glauben, dass dies der beste Weg sei, mich zu schützen. Deshalb begann ich die Grundschule viel zu spät, erst im Alter von neun Jahren, im Gegensatz zu meinen anderen Geschwistern.

    Als ich schließlich zur Schule ging, hatte ich eine Lehrerin, die offen ausdrückte, wie gruselig sie mich fand. Mitschüler nannten mich verschiedene Namen, wie Afin Boro (weißes Gespenst), sie versteckten meine Sachen und forderten mich auf, vor allen danach zu suchen. Sie zwangen mich sogar zu tanzen, während sie beleidigende Lieder über mich sangen. Ich war sehr traurig. Meine Mutter war in dieser Zeit meine Trostquelle. Sie nahm mich in den Arm, half mir bei den Hausaufgaben, erzählte mir Bibelgeschichten und sorgte dafür, dass ich lernte, einen Haushalt zu führen. Mein Leben war nur sie und ich und dann starb sie!

    Ich zog zu meiner Schwester, aber die Situation verschlimmerte sich. Unter dem Vorwand, mich zu schützen und unnötige Fragen von Leuten zu vermeiden, durfte ich das Haus nicht verlassen und musste alles sauber halten.
    Iretiola setzt sich ein fuer Menschen mit Albinismus
    Trotz alledem hatte ich niemals einen Hass auf meine Identität entwickelt. Ich mochte mich, wie ich war und wie ich aussah. Manchmal versuchte ich, mit meinen Geschwistern über meine Zukunft zu sprechen. Ich war an Modedesign interessiert, ich wollte Schauspielerin werden und dann hatte ich diese Idee, Krankenschwester zu werden. Aber alles, was ich von ihnen hörte, war: “Ist das angemessen für jemanden wie Dich?” Oder “Gehörst Du dorthin?” Und wenn ich weiter nachfragte, bezeichneten sie mich als stur und undankbar. Ich verlor das Interesse, mit meinen Geschwistern zu sprechen.

    Im Jahr 2020 erlangte ich meine Freiheit, als die Familie meiner Schwester in die USA auswanderte und ich alleine das Haus hüten sollte. Ich lebte auf und begann, als Freiwillige Menschen mit Behinderungen zu unterstützen.

    Ich nahm an Schulungen teil und engagierte mich mehr und mehr in Organisationen für Behinderte. Eines Tages traf ich jemanden, der mich zur Albino Stiftung brachte. Da begegnete ich zum ersten Mal Eltern von Kindern mit Albinismus und andere Menschen, die so aussahen wie ich.

    Damals wurde mir bewusst, dass viele Kinder mit Albinismus unter ähnlichen Zuständen wie ich großgeworden sind. Manche wurden vollkommen vernachlässigt oder wie ich überbehütet. Viele litten unter Mobbing und andere erfuhren Gewalt. Da die meisten Eltern nicht wirklich aufgeklärt sind, haben sie den Irrglauben über Albinismus verinnerlicht. Und auch Lehrer tun nichts dagegen, dass betroffene Kinder in der Schule diskriminiert werden.

    Als Kind stellte ich mir oft eine Welt vor, in der alle Kinder sich für Menschen mit Albinismus stark machten und sie gegen Ausgrenzung und Beleidigungen verteidigten. Und genau daran arbeite ich heute durch meine Initiative Ìretiola. (Ìrètíọla: Hoffnung für morgen).

    Ich plane die Organisation einer Gruppe, die in Krankenhäuser, besonders in Mutter-Kinds-Stationen über Albinismus aufklärt. Und ich möchte Kinder in Schulen für unser Thema mittels Comics und spannende Geschichten, in denen Kinder mit Albinismus die Helden sind, für das Thema begeistern. Die Welt von Morgen wird eine andere sein. Wie sie aussehen wird, haben wir selbst in der Hand.

    Leave a Reply

    Your email address will not be published. Required fields are marked *