Bosede Nwachi wurde in ihrer Kindheit von ihrem Vater abgelehnt und sogar vernachlässigt. In ihrer Ehe spiegelte sich das Kindheitstrauma wider. Ihr Mann verliess sie kurz nach der Geburt ihrer Zwillinge. Als alleinerziehende Mutter mit drei kleinen Kindern, hatte sie keine andere Wahl, als mehrere Geschäfte zu betreiben. Nur so konnten sie überleben. Alleinerziehende Frauen werden in Nigeria oft von der Männergesellschaft als Prostituierte abgestempelt. Trotz der täglichen Anfeindungen, bekam sie großes Ansehen in der Unternehmenswelt. Ihre eigenen Herausforderungen inspirierten sie dazu, die Organisation Akinkanju (Die Mutige) zu gründen, um alleinerziehende Müttern, Witwen und schutzbedürftigen Frauen durch Schulungen im alternativen Bauwesen eine Zukunft zu geben.
von Bosede Nwachi
Es war ein Mitglied des Tourismusausschusses der Handelskammer des Bundesstaates Osun, Nigeria, dem unbedacht und schamlos der folgende Satz entfiel: “Alleinerziehende Mütter, das wissen wir doch alle, sind gewöhnlich Prostituierte.”
Ich war damals die Vorsitzende der Handelskammer und er wusste wohl nicht, dass ich alleinerziehende Mutter bin. An diesem Tag wurde mir bitter bewusst, dass er nur ein in Nigeria weit verbreitetes Vorurteil laut aussprach. Doch auch als ich protestierte, war er nicht in der Lage zu begreifen, dass eine erfolgreiche Geschäftsfrau auch ohne Mann über die Runden kommen kann. Diese Vorurteile spiegeln sich natürlich auch in der Chancenungleicheit wider.
Ich komme aus einer polygamen Familie und bin das jüngste Kind meiner Mutter. Meine Halbgeschwister wurden sichtlich von meinem Vater geliebt und unterstützt, aber ich fühlte mich abgelehnt und dafür gab es viele Hinweise. So erinnere ich mich daran, wie mein Vater sich weigerte, meine Schulgebühren zu bezahlen, während meine Halbgeschwister ohne Probleme in die Schule gehen konnten. Da meine Mutter ihrer eigenen Arbeit nachging, konnte sie schliesslich meine Schulgebühren bezahlen. Wenn meine Mutter auf Geschäftsreise war, tischte mein Vater meinen Geschwistern Mahlzeiten auf. Ich musste zusehen wie sie sich beköstigten.
Daher gab meine Mutter oft bevor sie abreiste unseren Nachbarn Essensgeld, um mich angemessen zu versorgen. Viele Male habe ich meine Eltern streiten sehen, da meine Mutter es nicht ertragen konnte, wie mein Vater mich behandelte. Eine Woche bevor er starb, als hätte er gewusst, dass sein Ende nahte, kam er zu meiner Schule und bat um Vergebung, aber zu diesem Zeitpunkt war unsere Beziehung nicht mehr zu retten.
Als Erwachsene traf ich einen Mann, mit dem ich eine gemeinsame Zukunft aufbauen wollte. Wir heirateten und lebten drei Jahre lang als glückliches Paar zusammen, mit drei wunderbaren Kindern, einem Mädchen und zwei Jungen (Zwillingen). Allerdings kündigte er drei Monate nach der Geburt meiner Zwillinge an, dass er in einen anderen Bundesstaat gehen würde, um sein Glück zu suchen. Er kehrte nie zurück. Da stand ich nun, von zwei Männern in meinem Leben rüde abgelehnt!
Zuerst habe ich es nicht so schwer genommen, weil ich schon vor meiner Heirat genug Ersparnisse durch Investitionen angesammelt hatte. Mein Fokus war die Bauindustrie und an Geld mangelte es nicht direkt. Doch die Vorurteile der Männer machten mir zu schaffen. Es war tatsächlich schwierig mit dem Status der alleinerziehenden Frau eine feste Anstellung in der Baubranche zu finden. Niemand war bereit, eine stillende Mutter als Baustellenleiterin oder Projektmanagerin einzustellen. Um meine Kinder doch noch versorgen zu können, lernte ich verschiedene Techniken, wie Batik, Mode-Design, Catering und vieles mehr. Später stieg ich auch ins Textil-Geschäft ein.
In dieser Zeit machte ich die bittere Erfahrung wie gefährlich Mikrokredite sein können. Um mein Geschäft zu führen, musste ich einen Kredit von einer Mikrofinanzbank mit einem hohen Zinssatz aufnehmen. Ich konnte den Kredit zwar in nur 6 Monaten zurückzahlen, aber ich sah kaum einen Gewinn, nur große Aufregung. Daher versuche ich immer Frauen davon zu überzeugen, bloß die Finger von Mikrokrediten mit hohen Zinsraten zu lassen.
Das Eintauchen in unterschiedliche Geschäftsideen und die aktive Rolle in der Handelskammer, halfen mir in meiner persönlichen Entwicklung. Durch all den Widerstand den ich erfuhr, wurde ich stark. Ich lernte, meine eigene Arbeit zu strukturieren und der Erfolg motivierte mich, auch etwas für andere Betroffene zu bewegen. Ich hatte in eigener Anschauung erfahren, wie es war, diskriminiert zu werden, nur weil man alleinerziehend ist. Also kann ich nachvollziehen, wie sich andere Frauen fühlen, wenn sie emotional misshandelt werden. Die Angst vor dem Urteil der Gesellschaft, schreckt die meisten Frauen davor ab, sich von ihren gewaltsamen Ehemännern zu trennen. Denn selbst in so einfachen Dingen wie der Wohnungssuche sehen wir uns unnötiger Stigmatisierung und Erniedrigung ausgesetzt. Vermieter in Nigeria glauben und behaupten, dass Mieten durch alleinstehende Frauen nicht pünktlich gezahlt werden oder dass sie wohlmöglich “fremde Männer in ihre Häuser einschleusen.”, “Schließlich wisse man ja, dass es sich bei diesen Frauen nur um Prostituierte handeln könne!”
Indem ich meine eigene Geschichte als Zeugnis der Widerstandskraft nutzte, begann ich ein Training für Trainer von Betroffene.
Diese Initiative hat sich während meiner Zeit bei kanthari transformiert.
Heute ist es eine Organisation mit Namen “Akinkanju” (Die Mutige). Es handelt sich dabei um ein Zentrum, in dem alleinerziehende Mütter, Witwen und schutzbedürftige Frauen mit den notwendigen Werkzeugen und Kenntnissen ausgestattet werden, um unabhängig zu sein und eine erfüllte Zukunft für sich und ihre Familien zu schaffen. Dabei geht es im besonderen um qualitative Arbeit im alternativen Baugewerbe. Das Zentrum wird in Ido, einer ländlichen Gegend im Bundesstaat Osun im Südwesten Nigerias, eingerichtet. Hier können die Frauen alles lernen, was ihnen in der alternativen Baubranche weiterhilft, wie Mauern, auch Lehmarbeit, Elektroarbeiten, Tischlern/Schreinern und Computerkenntnisse mit besonderem Schwerpunkt auf alternativen und umweltfreundlichen Architekturentwurfs-Pprogrammen. Da wir mit alleinerziehenden Müttern zusammenarbeiten, bieten wir eine Kinderkrippe für Kinder im Alter von 0 bis 4 Jahren an.
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Haben Sie die kanthari TALKS 2023 verpasst. Kein Problem, Sie koennen sie auf folgender Webseite nochmal anschauen:
https://www.kantharitalks.org/