Skip to content

kanthari

info[@]kanthari[.]de

Sohan Tari aus Mumbai

Kunst und Ökologie

    Gast-Blog: Sohan aus Mumbai, ein Student der Travellers University, absolviert ein 10tägiges Volontariat bei Kanthari.

    Von Sohan Tari.

    Obwohl ich in der Großstadt Mumbai aufgewachsen bin, hatte ich das Glück, intensive Erfahrungen mit der Natur zu machen. Daher fühlte ich mich schon seit meiner Kindheit sehr mit unserer natürlichen Umwelt verbunden. Mein Vater nahm mich jedes Wochenende mit auf Vogelbeobachtungsausflüge in das Karnala-Vogelschutzgebiet am Stadtrand Mumbais.

    Die ganze Woche wartete ich mit Spannung auf diese Wochenenden, in denen ich gemeinsam mit ihm Vögel beobachten konnte. Ich kletterte auf Bäume, und ich spielte mit größter Hingabe mit Insekten, Fröschen, Schlangen, Krabben und allem, was sich bewegte. Alle paar Jahre, wenn unsere finanzielle Situation es erlaubte, nahm er meine Familie auch mit auf Reisen in ökologische Schutzgebiete in ganz Indien. Ich erinnere mich daran, wie ich mich einmal als kleiner Junge Auge in Auge mit einem Löwen befand, Ich tauchte mit Fischen zwischen Korallenbänken bei den Lakshadweep Inseln. Ich spielte mit kleinen Kraken auf den Pirotan-Inseln, und wurde von einem Bären im Madhumalai-Schutzgebiet angegriffen.

    Es waren diese ersten Interaktionen mit der Wildnis, die mich sensibel und interessiert an Ökologie gemacht haben. Zuhause, in der Stadt, als introvertiertes und schüchternes Kind ohne Freunde, verbrachte ich lange Stunden damit, Vögel, Tiere, Pflanzen und Landschaften aus Reiseführern, Fotografien und Erfahrungen abzuzeichnen und ich malte viel.
    In der Schule konnte ich mich nicht sehr gut für den Lehrstoff erwärmen und war daher ein eher unterdurchschnittlicher Schüler.

    Also konzentrierte ich mich auf kreative Arbeiten und ich schaute mir mit großer Begeisterung Tierfilme an. Mein allererster Traum war es, wie Steve Irwin, der Krokodiljäger, ein Tierfilmer und Moderator zu werden. Allerdings waren die Karrieremöglichkeiten, die mir in einem typischen indischen Haushalt zur Verfügung standen, ziemlich begrenzt, und ich habe diese Träume irgendwo verloren.

    Da ich mich für Kunst interessierte, entschied ich mich, das nächstliegende zu studieren, Architektur. Aber ich fand bald heraus, dass meine Architekturausbildung einen krassen Gegensatz zu meiner naturverbundenen Kindheit darstellte, und ich war bald von den umweltverschmutzenden und ökologisch destruktiven Methodiken des Baus so angewidert, dass ich nach Abschluss meines Studiums den Beruf nicht weiterverfolgte.

    Während des Studiums nahm ich mir bereits mehrere Auszeiten, um meine wahre Leidenschaft zu erkunden. Daher studierte ich insgesamt statt die vorgesehenen fünf, nun neun lange Jahre.  Während dieser Auszeiten war ich zunächst etwas orientierungslos. Aber bald begann ich, die Freiheit zu genießen.  Ich beschloss, mich für jedes Angebot zu öffnen und so kam ich auf das “Reisen mit Sinn”.

    Wo auch immer ich eintraf, bot ich meine ehrenamtliche Arbeit an. So konnte ich an mehreren ökologischen und künstlerischen Projekten mitarbeiten. Da ich nicht viel finanzielle Unterstützung von meinen Eltern hatte, nutzte ich meine Dienstleistungen als Währung für Nahrung und Unterkunft. Während dieser Zeit wurde ich auch ein Kino-Narr und beschloss, in Zukunft selbst Filme zu machen. Aus Angst, dass die Filmhochschule genauso langweilig und naturfern sein würde wie das Architekturstudium, beschloss ich, es alleine zu versuchen.

    Während dieser Zeit stieß ich auf das Dharmalaya Institute of compassionate Living in Bir-Billing, Himachal Pradesh. Ich fing dort an zu arbeiten unter der Anleitung einer renommierten selbstgelernten Öko-Architektin, der verstorbenen Didi Contractor, und der Lehrer am Institut, die einen großen Einfluss auf mich hatten und mein Leben veränderten. Hier begann ich, mich wieder in die Architektur zu verlieben, da wir vor Ort mit unseren Händen arbeiteten, anstatt in klimatisierten Räumen auf Papier. Jede kleine und große Entscheidung wurde nach den kurz- und langfristigen Auswirkungen auf verschiedene soziale und ökologische Systeme abgewogen. Ich fand die ganzheitliche Art der Bildung, der Arbeit und des Lebens, die Hand in Hand mit der Natur geht, nährend im Gegensatz zum oft giftigen und destruktiven konventionellen System.

    Ich begann bald, Interesse an sozialer und ökologischer Gestaltung zu entwickeln, und begann, mich mit Permakultur, natürlicher Landwirtschaft, Waldgestaltung, Regenwassersammlung, alternativer angemessener Technologie usw. zu beschäftigen. Ich nahm schließlich eine Rolle als Facilitator an und leitete mehrere praktische erlebnisorientierte Workshops zu mitfühlendem und nachhaltigem Leben, was mich für alternative Bildungsansätze interessierte. Im Jahr 2020, als die globale Covid-Pandemie ausbrach, war ich bereits zurück an der Universität in Mumbai. Das Eingesperrt sein in meinem Zimmer nach eineinhalb Jahren mitten im Wald, wirkte sich eher schlecht auf meine geistige Verfassung aus. Um damit umzugehen und mich mit der Natur zu verbinden, begann ich, jede Naturdokumentation anzusehen, die ich bekommen konnte. Zu dieser Zeit erinnerte ich mich an meinen Kindheitstraum, Wildtier- und Ökofilmer zu werden, und beschloss, ihn endlich umzusetzen. Ich nahm ein paar kleine Jobs an, um genug Geld zu sparen, und konnte schließlich etwa 6 Jahre nach meiner ersten Entscheidung, Tierfilmer zu werden, eine Kamera kaufen.

    Sohan im kanthari campus

    In den letzten Jahren habe ich verschiedene Formen von Kunst, Design und Medien für sozio-ökologische Auswirkungen in verschiedenen Regionen Indiens wie Uttarakhand, Rajasthan usw. erforscht. Letztes Jahr stieß ich auf das ’52 Parindey Fellowship’ der ‘Travellers’ University’. Dieses Stipendium fördert und ermutigt junge Menschen in der Realisierung ihres Traums. Sie nennen es  ‘Alivelihoods’ und es geht dabei um erfüllende, sinnvolle und regenerative Lebensgrundlagen, die auf sozialer, ökologischer und persönlicher Wohlfahrt ausgerichtet sind. Mit anderen Worten, Lebensgrundlagen, die einen lebendig machen.

    Was mich jedoch am meisten faszinierte, war, dass dieses Stipendium Reisen als pädagogisches Werkzeug für das Lernen nutzt, und die Reisenden (Stipendiaten) dokumentieren die persönlichen und beruflichen Stationen von Organisationen und einzelpersonen. So reise ich derzeit durch Indien, um von Persönlichkeiten und oganisationen in den Bereichen Umweltschutz und Kunst zu lernen. Und hierbei stieß ich durch Zufall auch zu kanthari.

    Während meiner Reise besuchte ich eine gute Freundin, Ansa, die als Intake-Coordinatorin bei kanthari arbeitet. Ich war von der praktischen Aktivität der Reinigung des Sees von Schlammkugeln und den invasiven Wasserpflanzen fasziniert. Ich half mit beim Reinigen des Frischwasser-sees. Wir befreiten ihn von abgestorbenen Pflanzenteilen und von Wasserhyazinthen und nicht einheimische Lotuspflanzen, um wieder Luft und Licht ins Wasser zu bekommen.
    Dabei führte ich mehrere interessante Gespräche mit Sabriye Tenberken, der Mitbegründerin von Kanthari, die nicht nur enorm zu meiner Lernerfahrung über meinen Alivelihood beitrugen, sondern weit darüber hinaus. In nur kurzer Zeit von 3 Tagen habe ich viel gelernt und zahlreiche Möglichkeiten entdeckt, wo ich meine Fähigkeiten und Erfahrungen auf dem Campus einbringen kann.

    Daher entschied ich mich für etwa 10 Tage zurückzukehren, um bei Kanthari Freiwilligenarbeit zu leisten. In Anlehnung an das, was ich bisher gemacht habe, bat ich Sabriye, mir Brailleschrift beizubringen, und im Gegenzug würde ich an einigen Designprojekten teilnehmen und helfen. Zudem baue ich eine Bank aus Schlammkugeln, die beim Reinigen des Sees gesammelt wurden, um das Material als potenziellen Baustoff auszutesten.

    Außerdem entwerfe ich einen Permakultur-Garten auf der handgemachten Insel im See, zusammen mit Riya, einer Katalysatorin bei Kanthari. Da ich selbst Veganer bin, experimentiere ich mit dem Küchenteam, um vegane Gerichte auf die Speisekarte zu setzen. Meist verbringe ich die heißen Nachmittage drinnen und übe das Schreiben in Brailleschrift. Jeden Abend nehme ich weiterhin an der Aktivität teil, den See zu reinigen, und führe tiefgreifende Gespräche zu einer Vielzahl von Themen wie Bildung, Träume, Karrieren, Führung, Barrierefreiheit, Veganismus, Feminismus, Politik und vielem mehr. Diese Diskussionen zusammen mit der Methode des “Hot-Seats” bei Kanthari haben nicht nur dazu beigetragen, einige meiner starren Überzeugungen zu erschüttern, sondern haben mir auch viele Fragen und Denkanstöße gegeben, die während meiner Reise und in den kommenden Jahren weiter wachsen werden.

    Weitere Informationen zu Programmen, Veranstaltungen und Angeboten des Dharmalaya Institute of Compassionate Living, zum kanthari Institut und der Travellers’ University finden Sie unter https://dharmalaya.in/ und https://www.travellersuniversity.org/ – weitere Informationen über Kanthari finden Sie hier.

     

     

     

     

    Leave a Reply

    Your email address will not be published. Required fields are marked *