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Vom Beobachter zum Akteur

kanthari Blog – 18-06-2021

    Vom Beobachter zum Akteur

    – von Puneet Singhal, kanthari-Teilnehmer, 2021

    Meine Weg von einem Mainstream-Jobber zu einem sozialen Change Maker, von einem Beobachter zum Akteur, begann mit verschiedenen Fragen: Was ist der Sinn der menschlichen Existenz und wie kann ich mein Leben sinnvoll gestalten?

    Leider ermutigt das indische Bildungssystem weder dazu, Fragen zu stellen, noch fördert es unabhängige Recherche. Zum Glück gaben mir meine Eltern genug Raum, neugierig zu bleiben. Sie ließen meiner Fantasie freien Lauf. Sie sind beide wunderbare Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und Meinungen.

    An einem Punkt jedoch kriselte es zwischen den beiden. Obwohl ich nur ein Beobachter und nicht direkt involviert war, verunsicherten mich diese Konflikte, und sie ließen mich ängstlich und gestresst zurück. Ich weiß nicht mehr, wann ich mich in einen Introvertierten Menschen verwandelte und wann ich anfing, Blickkontakt zu vermeiden. Ich begann zu stottern, aber nur, wenn ich über mich selbst sprechen sollte, wenn ich “Puneet” war. Nicht aber, wenn ich eine Rolle in einem Theaterstück spielen sollte oder wenn ich als Beobachter ein bestimmtes Ereignis beschrieb. Aber wer bin ich? Wer ist Puneet Und warum bin ich hier in dieser Welt? Diese Fragen sind mit vielen anderen Fragen verknüpft: Meine Suche nach dem “Sinn des Lebens” entwickelt sich jeden Tag weiter. Jedes Wort, das ich lese, jedes Ereignis, das ich erlebe, und jeder Mensch, dem ich begegne, erinnert mich an diese Fragen.

    Als Beobachter möchte ich mich nicht in einem Beobachtungsposten verstecken. Ich versuche bewusst, mich selbst herauszufordern und an den Herausforderungen zu wachsen. Ich ging weiterhin verschiedenen Interessen nach, und das immer auf der Suche nach Befreiung. So engagierte ich mich ehrenamtlich für verschiedene soziale Themen. Mit der Zeit bekam ich ein Gefühl der Zugehörigkeit, besonders zu Menschen, die einen sozialen Wandel vorantreiben wollen.

    Und irgendwann fand ich den einen Ort, wo ich kein Außenseiter mehr war. Zuvor war ich Außenseiter in den unterschiedlichen sozialen Konstrukten, in meiner Stadt, in meiner Kaste, in meiner Schule und sogar in meiner Großfamilie.

    Nach dem Abschluss meines Studiums begann ich in einer internationalen Bank zu arbeiten. Aber bald merkte ich, dass ich versuchte, in etwas hineinzupassen, das nicht zu mir passte. Nach einem Jahr der Beschäftigung verstand ich: In einem Ratten-Rennen bleibt der Gewinner immernoch eine Ratte!

    Ich kündigte meinen Job überstürzt und begann das zu tun, was ich schon immer tun wollte: Meine zwei Freunde und ich gründeten im Juli 2018 eine Organisation namens “the Caring hands foundation”. Es ist ein Trainingszentrum für umgangssprachliches Englisch und für Computer-Skills. Nun, das Zentrum war nicht viel mehr als die Terrasse meines Hauses. Aber wir hatten eine klare und einfache Regel: Sobald man die Terrasse betrat, durfte nur Englisch gesprochen werden.

    Ich gehöre zu einem Teil von Delhi, dem Sangam Vihar. Es handelt sich um den größten nicht autorisierten Slum Asiens. Hier lebt zum großteil die unterste Arbeiterklasse.

    Nach Angaben der Times of India stammen 90 % der Kriminellen im Süden Delhis aus diesem Arbeiter-Viertel. Die Jugendlichen sind in Drogen, Gewalt, Raub und allen möglichen Arten von illegalen Aktivitäten verwickelt. Auch die Zahl der Selbstmorde unter den Jugendlichen steigt aufgrund der fehlenden Beschäftigung stark an. Es gibt einfach keine Chancen.

    Aufgrund mangelnder Erfahrung im Management einer solchen Organisation, überarbeiteten wir uns vollkommen. Und dann stolperte ich über einen Beitrag in einer Facebook-Gruppe, in dem kanthari erwähnt wurde, ein Trainings-Institut für Social Change Maker. Als ich die kanthari Website genauer in Augenschein nahm, um mehr über den Lehrplan zu erfahren, war mir klar: das war genau das, was wir, meine Freunde und ich brauchten.

    Vieles in diesem Curriculum war neu für mich, selbst der Auswahlprozess mit intensiven Interviews war eine bereichernde Erfahrung.

    Und dann kam uns allen die Pandemie in die Quere. Das kanthari Program von 2020 wurde um ein Jahr verschoben und auch unser Zentrum musste schließen. Stattdessen verteilten wir Masken und Desinfektionsmittel.

    Als Beobachter stellte ich fest, dass die Covid-Pandemie viele unerwartete Nebenwirkungen mit sich brachte: Ich wurde Zeuge plötzlicher Ausbrüche von Fake News und gefälschten Videos, die eine ganz bestimmte Religionsgemeinschaft für die Verbreitung von Covid-19 in Indien verantwortlich macht. Um dieser Hasskampagne entgegenzuwirken, entwarf ich ein “Cyber-Hygiene”-Programm. Ich war der Meinung, dass das Praktizieren einer angemessenen Online-Etikette genauso wichtig ist wie die Einhaltung der körperlichen Hygiene, wie z. B. das Händewaschen.

    Später setzten wir uns auch gegen Online-Mobbing, Trolling, Finanzbetrug und andere Missbräuche ein. Wir sind der Meinung, dass wir durch Kampagnen und durch Beratung unsere Online-Nutzer weniger anfällig für Cyber-Attacken machen. Es war das erste Programm, für das ich eine Finanzierung von einer internationalen Organisation erhielt.
    Unsere Bemühungen wurden von der Delhi Minority Commission und vom UN Global Compact Network anerkannt. Ich war ein Jahr lang Mitglied des Friedenskomitees der Delhi Minority Commission. Die Online-Lernplattform Coursera bot uns eine Hilfe an, indem sie unseren Studenten freien Zugang zu ihren Kursen gab. Das half uns, unsere Arbeit online fortzusetzen.

    Jetzt befinde ich mich auf dem Kanthari-Campus in Kerala. Mein Fokus hat sich inzwischen etwas gewandelt. Ich lerne nun nicht nur, wie man eine soziale Organisation führt, sondern auch, wie man eine Vision formuliert, kommuniziert und entsprechend agiert. Um meine Ideen in der realen Welt zu verwirklichen, muss ich hier auch lernen, zu verlernen.

    Indem ich Zeit mit anderen Themen mit anderen Social Change Makers aus verschiedenen Kulturen, Ländern und Hintergründen verbringe, fange ich an, kritischer nachzudenken, zu diskutieren, mir eine Meinung zu bilden. Das gibt mir eine ganz neue Perspektive.

    Ich freue mich auf die kommenden Monate, darauf, mehr zu lernen und mich als sozialer Akteur zu etablieren und mich vielleicht sogar zu einem besseren Menschen weiterzuentwickeln. Und hier in kanthari, da bin ich mir sicher, werde ich die Antwort auf meine Fragen finden: “Was ist der Sinn der menschlichen Existenz und wie kann ich mein Leben sinnvoller gestalten?”.

     

     

     

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