Eltrud Okeyo stammt aus dem Kisumu Bezirk im Westen Kenias, der an den Viktoriasee grenzt.
Kisumu County hat die dritthöchste HIV/AIDS-Rate in ganz Kenia. Nach Angaben des International Center for Alleviation of Poverty, Inc. sind 22-25 % der Bevölkerung von Kisumu HIV-positiv. Ein hoher Anteil der Bevölkerung hat viele Waisen und ältere Menschen zurückgelassen. Eltrud hat aus erster Hand erfahren, welche Herausforderungen dies für ältere Menschen bedeutet, die mit Altersdiskriminierung konfrontiert sind. Dies hat sie dazu veranlasst, Maßnahmen zu ergreifen, um Hilfe zu bieten, die zur Wiederherstellung ihrer Würde erforderlich ist.
Von Eltrud Okeyo
Als ich den einsamen, verlassenen Weg in meinem Dorf entlangging, wurde meine Aufmerksamkeit auf ein einsam stehendes, strohgedecktes Haus mit rissigen Wänden und einem verrosteten Blechdach gelenkt. Da gerade Regenzeit war, stand der Hof unter Wasser. Gleich daneben liegt ein leicht erhöhtes Gelände mit Kreuzen darauf.
Im Haus saß Lewnida am äußersten Ende des Raumes. Ihr Blick war nach oben gerichtet, traurig. Der Raum war etwas dunkel und das einzige Licht kam von einer Blechlampe. Damit der Wind die Flamme nicht ausblasen konnte, stand die Lampe in einem Plastikbehälter. Ihre sieben Enkelkinder saßen zusammengerollt in einer Ecke. Die Älteste, die die dritte Klasse besucht, kämpfte mit ihren Hausaufgaben. Lewnida war 80 Jahre alt. 1957 heiratete sie den mittlerweile verstorbenen Hesborn. Hesborn war von Geburt an blind. Rückblickend hatte sie ein Leben voller Freude. Sie und ihr Mann strickten Matten und verkauften sie auf einem nahen gelegenen Markt. Ihr Ehemann war Pastor, und so bekamen sie ohne Ausnahme ihre täglichen Mahlzeiten.
Obwohl sie nach ihrer Heirat fast 10 Jahre lang kinderlos blieb, wurde Lewnida Mutter von sieben Kindern. Drei Mädchen und vier Jungen. Alle standen sich nahe, und sie genossen viele gemeinsame Familienmomente. Ihre Kinder trugen zum Haushalt bei. Im Alter von 10 Jahren wussten sie alle, wie man die Hausarbeit erledigt, was Lewnida die Arbeit erleichterte. Lewnida hatte große Träume für ihre Kinder. Sie träumte davon, dass ihre Kinder Arzt, Lehrer oder sogar Bauer werden würden.

Aber sie wusste nicht, was das Leben ihr bescheren würde. Im Jahr 1990, als der Erstgeborene erst 23 Jahre alt war, erlag ihr Mann einer unbekannten Krankheit, die später als HIV/AIDS identifiziert wurde.
Plötzlich hatte sie es schwer, und es war nicht mehr möglich, die Kinder in der Schule zu halten. Stattdessen heirateten die Töchter früh, die Söhne brachten bald Frauen nach Hause und Enkelkinder wurden geboren. Damals erlebte Lewnida die schwersten und schmerzhaftesten Momente ihres Lebens. Eine ihrer Schwiegertöchter starb bei einer Hausgeburt. Ihre eigene Tochter verunglückte und starb. Der zweitgeborene Sohn wurde bei der Überquerung eines Flusses von den großen Überschwemmungen in der Ebene von Kano mitgerissen. Ihr zuletzt geborener Sohn erlebte alles Elend mit, konnte damit nicht fertig werden und erlitt einen Nervenzusammenbruch. Er erholte sich nie wieder.
Nach dem Tod ihrer Kinder und anderer Kinder in der Nähe, die an HIV/AIDS starben, wurde Lewnida der Hexerei bezichtigt. Die Leute flohen vor ihr und sagten, sie sei ein böses Omen. Andere beschuldigten sie, für all diese Ereignisse verantwortlich zu sein. Die Schwiegereltern waren verbittert und versuchten, sie zu verjagen. Seitdem ist ihr Leben ein großer Kampf. Ihr fortschreitendes Alter macht es noch viel schwieriger. Ihr Körper schmerzt, ihr Sehvermögen gilt als eingeschränkt und ihr Hörvermögen ist teilweise verschwunden. Lewnida vergisst viel, leidet an Tuberkulose und fürchtet ihre Enkelkinder, die sie sehr bewundern, anzustecken,
Sie fühlt sich einsam. Ihre Freundin ist zu alt, um sie zu besuchen und die beiden sehen sich nur noch sehr selten. Saras Situation ist noch schlimmer. Sie ist über 95 Jahre alt und kann weder arbeiten noch aufstehen. Wenn man sie also in der Sonne sitzen lässt, wartet sie, bis ein barmherziger Samariter vorbeikommt und ihr hilft, wieder ins Haus zu kommen.
Lewnida hat das Gefühl, dass die Gesellschaft ihre Würde beraubt hat, da sie als Last angesehen wird. Ihre einzige Möglichkeit zum Überleben ist Betteln. Betrübtheit und Bitterkeit sind ihre täglichen Lieder. Doch tief in ihrem Inneren spürt sie, dass sie viel wert ist. Sie wünscht sich, dass sich die Dinge zu ihren Gunsten ändern könnten.
Leider ist Lewnida nicht allein. Es gibt viele Lewnidas in der Kisumu Region und darüber hinaus.
Dennoch gibt es für sie keine Einrichtungen, in denen sie Unterstützung erhalten könnte. Das hat mich dazu inspiriert, einen Ort zu schafffen, an dem ältere Menschen Hilfe in Form von Nahrung, Wasser, Sicherheit, Kleidung und medizinischer Versorgung erhalten. Mein Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass die älteren Menschen in meiner Gemeinde ihre Würde bis zu dem Tag bewahren, an dem sie von uns gehen.